BWIHK stellt aktuelle Umfrageergebnisse vor – Inlandsnachfrage als größtes Geschäftsrisiko eingestuft
Nach einer kurzen Aufhellung im Sommer hat sich die Lage von Baden-Württembergs Wirtschaft in der BWIHK-Herbstumfrage wieder eingetrübt. „Das Ergebnis dieser Umfrage zeigt deutlich, dass es allerhöchste Zeit ist zu handeln. Es darf keine weiteren bürokratischen Belastungen geben. Im Gegenteil – es müssen sofort alle unnötigen Hemmnisse beseitigt und der andauernde politische Streit beendigt werden. Die Wirtschaft braucht klare, berechenbare politische Vorgaben und vor allem Bewegungsfreiheit, um bestehende Chancen auch nutzen zu können“, erklärt Claus Paal, Präsident der IHK Region Stuttgart, die im BWIHK für die Volkswirtschaft federführend ist. Derzeit bremsen Unsicherheiten durch Krisenherde, die hohe Inflation und hohe Energiepreise, eine schwächelnde Weltwirtschaft und steigende Zinsen die Konsum- und Investitionsgüternachfrage und trüben damit in weiten Teilen der Wirtschaft die Erwartungen ein. „Wir sind dermaßen mit lähmendem Kleinklein beschäftigt, dass wir es verpassen, die zentralen politischen Ziele der Energiewende, der Fachkräftezuwanderung und für den Wohnungsbau umzusetzen. Die Politik muss handeln und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen schaffen. Sonst verlieren die Unternehmen endgültig den langen Atem.“
An der Umfrage haben sich zwischen Mitte September und Anfang Oktober 2023 landesweit 3.340 Unternehmen aller Größen und Branchen beteiligt. Anders als in einigen anderen Bundesländern überwiegen im Südwesten noch immer die positiven Rückmeldungen, doch eine zunehmende Anzahl Unternehmen hat zu kämpfen: Inzwischen beschreiben nur noch 33 Prozent ihre Geschäftslage als gut, 17 Prozent schätzen die Lage als schlecht ein. Zum Frühsommer meldeten noch fast die Hälfte der Befragten (41 Prozent) gute und nur zehn Prozent schlechte Geschäfte. Deutlich eingebrochen sind dagegen die Geschäftserwartungen der Unternehmen: Nur noch 16 Prozent blicken optimistisch in die Zukunft, während doppelt so viele von einer weiteren Verschlechterung ausgehen (33 Prozent). Im Frühsommer rechneten noch 23 Prozent mit einem Aufschwung und 20 Prozent mit einer Lageverschlechterung.
Strukturelle Herausforderungen und Wachstumshemmnisse angehen
„Die Umfrageergebnisse zeigen einmal mehr, dass in Deutschland große konjunkturelle Herausforderungen auf langfristige strukturelle Schwächen am Standort Deutschland treffen“, so Paal. „Das zermürbt unsere Unternehmer und führt derzeit zu weniger Investitionen, weniger Innovationen und weniger Wettbewerbsfähigkeit über alle Branchen hinweg.“ Bereits jeder dritte Befragte (31 Prozent) sieht inzwischen die politischen Rahmenbedingungen als bedeutendes Geschäftsrisiko. „Dies ist hinter der Inlandsnachfrage die zweitstärkste Zunahme bei den Risiken. Bei den Themen Bürokratieabbau, Arbeitsmarkt und Kalkulierbarkeit der politischen Vorgaben müssen wir ansetzen, damit dieser Herbst nur eine verzögerte Konjunkturerholung und kein bleibender Einbruch wird“, macht Paal deutlich.
Top-Risiken bleiben – Inlandsnachfrage knapp vor Fachkräftemangel
Die Reihenfolge der vier größten Risiken hat sich im Vergleich zum Sommer leicht verändert – die Themen sind geblieben: Wegen der Kaufzurückhaltung rücken aktuell 64,1 Prozent der Befragten die Inlandsnachfrage als größtes Geschäftsrisiko in den Vordergrund. Fast gleichauf hält sich weiterhin der Fachkräftemangel mit 63,5 Prozent der Nennungen. Im Sommer lag dieser mit dem Höchstwert von 68 Prozent mit großem Abstand an der Spitze. Hier macht sich die Konjunkturschwäche mit den derzeit überwiegend nach unten korrigierten Beschäftigungsaussichten bemerkbar.
Doch der Arbeitsmarkt bleibt angespannt – viele Unternehmen haben Probleme oder gehen leer aus bei der Suche nach Fachkräften, so kann jedes zweite (53 Prozent) der befragten Unternehmen offene Stellen zumindest teilweise nicht besetzen. Die Unternehmen scheitern wie im Vorjahr am häufigsten an der Stellenbesetzung für Fachkräfte mit dualer Berufsausbildung (78 Prozent). Dies betrifft alle Branchen. 21 Prozent der Betriebe suchen derzeit vergeblich nach geeignetem Personal bei Stellen, die auch ohne abgeschlossene Berufsausbildung ausgeübt werden können. Besonders vom Fachkräftemangel betroffen sehen sich Verkehr (76 Prozent) und Bauwirtschaft (70 Prozent). „Das Problem ist weiterhin groß: Angesichts dieser Rückmeldungen und des demografischen Wandels bleibt der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften eine der drängendsten strukturellen Herausforderungen für unsere wirtschaftliche Zukunft“, warnt Paal.
Die inflationsbedingten Kaufkraftverluste und der Fachkräftemangel haben zu höheren Löhnen und Gehältern geführt – der Druck hält trotz konjunktureller Eintrübung weiterhin an: Die Arbeitskosten bleiben im Herbst für 55 Prozent das drittgrößte Geschäftsrisiko. Einige Dienstleistungsbranchen wie das Gastgewerbe (74 Prozent) mit eher unterdurchschnittlichem Lohnniveau, hohem Personalbedarf und Problemen bei der Arbeitskräftesuche, nennen das Risiko besonders häufig. Mit rund 60 Prozent der Nennungen und etwas Abstand folgen die Industrie, der Handel und Verkehr. Vergleichsweise etwas weniger relevant ist das Problem in der Baubranche mit 44 Prozent.
Die Energiepreise, die im Herbst 2022 durch die hohe Abhängigkeit von russischem Erdgas noch das dominierende Problem waren (78 Prozent), haben mit der Entspannung der Energiemärkte etwas an Schrecken verloren. Aktuell sieht darin nur noch rund jedes zweite Unternehmen (54 Prozent) eine Gefahr für seine Geschäfte (nach 58 Prozent im Sommer).
Inlandsinvestitionen
Die schlechte wirtschaftliche Entwicklung, Unsicherheit über die politischen Rahmenbedingungen und die hohen Zinsen wirken sich negativ auf die Investitionspläne der Südwestwirtschaft aus, so dass diese unterm Strich rückläufig sind: 29 Prozent wollen weniger investieren – nur 20 Prozent mehr. Einzig im Fahrzeugbau überwiegen aufgrund der grünen und digitalen Transformation die Investitionssteigerungen die -kürzungen in nennenswerter Weise – dort sogar deutlich dynamischer als in der Vorumfrage. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, wären hier allerdings noch deutlich mehr Investitionen – gerade in Innovationen – notwendig. Derzeit überwiegen in der Industrie die Ersatzbedarfsinvestitionen.
