Vier Säulen für starke Wirtschaft in nächster Legislaturperiode
Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) stellt heute der Landespresse sein Positionspapier „Kurs Wirtschaftswende“ zur Landtagswahl 2026 vor. Begleitend präsentiert werden die Ergebnisse der Herbstkonjunkturumfrage 2025. „Um den seit 2022 anhaltenden konjunkturellen Negativtrend zu stoppen, muss die neue Landesregierung schnell und entschlossen handeln“, betont BWIHK-Präsident Dr. Jan Stefan Roell.
„Wie wir alle wissen, ist Baden-Württemberg wirtschaftlich noch stark. Doch der dauerhafte Druck struktureller Probleme zehrt zunehmend an dieser Substanz. Bürokratische Überregulierung, träge Verwaltungsprozesse, zu hohe Standortkosten, Innovationshemmnisse, die demografische Fachkräftelücke und Schwierigkeiten bei der Nachwuchsgewinnung belasten die Betriebe – ebenso wie marode Infrastruktur und eine Energiewende, die viele Unternehmen inzwischen eher als Risiko, denn als Chance empfinden. Wir brauchen daher einen Fahrplan zum klaren „Kurs Wirtschaftswende“. Unsere zentralen Forderungen haben wir dafür in vier Säulen gegliedert: Regulatorik und Verwaltung, Industrie und Innovation, Bildung und Fachkräfte sowie Infrastruktur und Energie – jeweils mit konkreten Handlungsvorschlägen. So kann nach der Wahl mit den richtigen Schwerpunkten an Lösungen gearbeitet werden. Gemeinsam mit der Wirtschaft – wir bringen unsere Expertise gerne fortlaufend ein.“
Regulatorik und Verwaltung: Bürokratierückbau mit Struktur statt Symbolik
Betriebe im Land kämpfen unverändert mit wachsender Bürokratie. Mit Blick auf das IHK-Unternehmensbarometer 2025 sehen rund 90 Prozent der Unternehmen hier eine Verschärfung ihrer Wettbewerbsbedingungen, insbesondere KMU. „Bürokratie kostet gestalterische Substanz – bei Betrieben genauso wie beim Staat selbst – und sorgt für enorme Wertschöpfungsverluste. Das ifo-Institut beziffert für Deutschland die verlorene Wirtschaftsleistung auf jährlich 146 Milliarden Euro. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen mit gleichzeitig steigenden Ausgaben ist deshalb geboten: Die öffentliche Verwaltung muss sich auf Kernaufgaben konzentrieren und mit Zustimmung des Gesetzgebers die Bürokratie entschieden zurückbauen!“Der BWIHK fordert daher einen strukturellen Befreiungsschlag, welcher beinhaltet:
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ein Belastungsmoratorium für neue Bürokratiepflichten,
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das Prinzip „One in, two out“ bei neuen Regelungen,
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verbindliche Sunset-Klauseln (verpflichtende Befristung) für Rechtsakte,
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mehr Vertrauen in unternehmerische Eigenverantwortung durch ein Selbsterklärungsprinzip sowie
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verbindliche Genehmigungsfristen nach dem Vorbild der Vollständigkeitsfiktion.
Ein wichtiges Signal könne laut Roell das geplante Kommunale Regelungsbefreiungsgesetz setzen: „Kommunen brauchen Spielräume, um neue Wege zu gehen. Erfolgreiche Pilotprojekte müssen dann als Blaupausen dienen, so können wir hier vorankommen.“
Industrie und Innovation: Standortstärke sichern – Förderlandschaft konsolidieren
BWIHK-Vizepräsident Thomas Conrady benennt Rahmen und zentrale Voraussetzungen für die Arbeit der neuen Landesregierung in der Innovationspolitik: „Mit einem Beitrag von rund 40 Prozent an der Bruttowertschöpfung zählt das Produzierende Gewerbe zu den zentralen Stützen der Südwestwirtschaft – und ist Motor für Innovation, Ausbildung, Wohlstand. Aber: Auch wenn wir im Innovationsindex europäische Spitze sind, steht die Industrie unter massivem Transformationsdruck. Gleichzeitig weist unser IHK-Innovationsreport über die letzten Jahre eine laufende Verschlechterung der Innovationsbedingungen aus von ‚gut‘ auf jetzt nur noch ‚befriedigend‘.“ Auch zeige der Report: Rund ein Viertel der Unternehmen im Land betreibt keine Forschung und Entwicklung, meistens wegen bürokratischer Hürden und unübersichtlicher Förderungen. Sein Appell: „Wir brauchen weniger Förderdschungel und mehr Strategie“.
Der BWIHK fordert dazu eine strategische Neuausrichtung der Förderpolitik, orientiert an den fünf Handlungsempfehlungen des Normenkontrollrats BW:
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Förderwesen vereinfachen (NKR-Empfehlungen): zentrale Koordinierung über eine Stelle, Standardisierung von Programmen, mehr Transparenz im „Förderdschungel“, Förderwesen konsolidieren (weniger, aber sinnvolle, möglichst breit angelegte Programme), vollständige Digitalisierung der Verfahren.
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Bewährte, gut laufende Programme dafür verstetigen: Innovationsgutscheine, Invest BW und Digitalisierungsprämie Plus technologieoffen fortführen – dieser „Förderdreiklang“ deckt die unterschiedlichen Bedarfe der Unternehmen gut ab.
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Digitalisierungsprämie ausbauen: Sie wird von Betrieben gut nachgefragt. Den Wegfall der Zuschussförderung überdenken rückgängig machen, die reine Kreditförderung ist für viele Betriebe zu bürokratisch und wenig praxisnah.
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Flexiblere Zugänge: Förderanträge jederzeit möglich machen, „Beginn auf eigenes Risiko“, verbindliche Entscheidungsfrist von drei Monaten.
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Zukunftstechnologien fokussieren, Strukturen für Digitalisierung, KI & Datenökonomie weiterentwickeln: Mit KI-Allianz, Cyber Valley & weiteren Exzellenzzentren verfügt BW über international sichtbare Strukturen, deren Ausbau durch mehr Zusammenarbeit beschleunigt werden kann. Ziel: ein landesweites KI-Valley.
