Einkommensunterschiede verschiedener Bildungswege sind nach wie vor ein wichtiges Thema in der Wirtschafts- und Bildungspolitik (OECD, 2021). Durch strukturelle Änderungen wie den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel werden immer mehr qualifizierte Personen benötigt. Während sich ein zunehmender Trend bei höheren Schulabschlüssen und Studierendenzahlen beobachten lässt, sinkt jedoch die Anzahl der Ausbildungsbetriebe und der Bewerber auf Ausbildungsstellen (Bundesinstitut für Berufsbildung BiBB, 2022).
Für die Bildungsentscheidung junger Menschen nach dem Schulabschluss spielt das erwartete Einkommen eine große Rolle. Dabei ist jedoch nicht nur das erwartete Lebenseinkommen insgesamt, sondern auch das erwartete Einkommen bis zu einem bestimmten Alter relevant. So werden wichtige Ausgaben (bspw. Hauskauf, Kinder und Hochzeit) meist bereits in jüngeren Jahren getätigt. Obwohl die Berufsausbildung im Vergleich zu einem Hochschulstudium in verschiedenen Studien geringere Bildungsrenditen im aktuellen Erwerbseinkommen aufweist (Biewen und Thiele, 2020; Rzepka, 2018), hat eine vorangegangene Studie der IAW gezeigt, dass die Berufsausbildung im kumulierten Einkommen über weite Teile des Erwerbslebens hinweg nicht schlechter abschneidet als ein Hochschulstudium (Brändle et al., 2019; Zühlke et al., 2021).
Die vorliegende Studie bringt die Ergebnisse von Brändle et al. (2019) zunächst auf den aktuellen Stand der Datenverfügbarkeit. Darüber hinaus werden die Analysen um den Aspekt von Erwerbsunterbrechungen erweitert. Dies legt den Fokus auf die Varianz des zu erwartenden Einkommens, bzw. die Unsicherheit, ob überhaupt ein regelmäßiges Einkommen erwirtschaftet werden kann. In dieser Studie sollen daher auf Grundlage der bisherigen wissenschaftlichen Literatur folgenden Fragen noch genauer nachgegangen werden:
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Wie groß sind die Unterschiede in den Erwerbsunterbrechungen im Vergleich unterschiedlicher Bildungswege?
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Wie unterscheiden sich die Lebenseinkommen von Personen nach Erwerbsunterbrechungen?
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Wie wirken sich Episoden der Erwerbsunterbrechung zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Erwerbsleben auf das Lebenseinkommen aus?
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Welche unterschiedlichen Effekte ergeben sich für Männer und Frauen?
 
Da in der Literatur bisher überwiegend das aktuelle Erwerbseinkommen untersucht wird, verspricht die Analyse des Lebenseinkommens neue Erkenntnisse. So kann beispielsweise das Lebenseinkommen von Müttern bzw. Vätern schon vor der Geburt des ersten Kindes und sehr langfristig danach untersucht werden. Die Analysen unterscheiden Personen in verschiedenen Bildungspfaden, beispielsweise solche, die nach der Schule eine Berufsausbildung oder ein Hochschulstudium begonnen haben. Alle Analysen werden auch nach Geschlecht getrennt durchgeführt, um Unterschiede im Lebenseinkommen, im Bildungsweg und in Erwerbsunterbrechungen zu berücksichtigen.
Die Ergebnisse zeigen, dass es weiterhin große Unterschiede im Lebenseinkommen zwischen unterschiedlichen Bildungspfaden gibt und sich diese auf unterschiedliche Lebensabschnitte konzentrieren. Diese Unterschiede variieren deutlich mit dem Geschlecht. Deutliche Unterschiede sehen wir auch im Lebenseinkommen von Personen mit und ohne Kinder. Während bei Männern die Lebenseinkommen mit Kindern höher sind also ohne Kinder, sind sie bei Frauen deutlich niedriger. Erwerbsunterbrechungen, insbesondere Arbeitslosigkeit und Elternzeit treten bei unterschiedlichen Bildungspfaden sehr unterschiedlich häufig bzw. lang auf. Hier lassen sich große Unterschiede in verschiedenen Lebensabschnitten beobachten. Dies erklärt, warum Erwerbsunterbrechungen unterschiedliche Effekte auf das Lebenseinkommen, je nach Bildungspfad erzeugen.
Der verbleibende Bericht ist wie folgt gegliedert: In Abschnitt 2 erfolgt eine Literaturübersicht über aktuelle Entwicklungen der Bildungsrenditen in Deutschland, dem Einfluss von Erwerbsunterbrechungen und Geschlechterunterschieden. In Abschnitt 3 wird kurz die Datenbasis beschrieben und dargestellt wie die Bildungsentscheidungen modelliert sind. Die deskriptiven Ergebnisse werden abschließend in Abschnitt 4 präsentiert. Dazu werden die durchschnittlichen kumulierten Lebenseinkommen im Abschnitt 4.1 sowie die Zeiten in Erwerbsunterbrechungen im Abschnitt 4.2 dargestellt. Die Ergebnisse der multivariaten Analysen, welchen Einfluss Erwerbsunterbrechungen auf das kumulierte Einkommen je nach Bildungspfad haben, finden sich in Abschnitt 5. In Abschnitt 6 werden die Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert.
