Über die Studie
In fast allen OECD-Ländern hat der Anteil der Personen mit Hochschulabschluss in den letzten Jahren stetig zugenommen. Im OECD Durchschnitt stieg dieser von 35 % im Jahr 2008 auf über 44 % im Jahr 2018 (OECD, 2019). In Deutschland geht die steigende Nachfrage nach Hochschulbildung mit einem Rückgang der dualen Berufsabschlüsse einher (Wolter und Kerst, 2015). Ob sich ein Hochschulstudium oder eine Berufsausbildung monetär (mehr) lohnen, hängt allerdings von vielen Faktoren ab.
Diese umfassen beispielsweise das Studienfach bzw. den Ausbildungsberuf und die sich daraus ergebenden konkreten Berufs- und Karrieremöglichkeiten sowie die Nachfrage nach Absolventinnen und Absolventen im gewählten Berufsfeld. Gerade ausgebildete Fachkräfte werden in letzter Zeit zunehmend nachgefragt, so dass unklar ist, ob eine Hochschulbildung für einen großen Teil der Bevölkerung wirtschaftlich die bessere Entscheidung ist. Aus diesem Grund re-analysiert diese Studie die kumulierten Lebenseinkommen von Personen mit unterschiedlichen Bildungsentscheidungen. Ob sich Bildung generell und insbesondere Bildungsabschlüsse ökonomisch bzw. monetär auszahlen, wird mit dem Konzept der Bildungsrendite gemessen (Buschle und Haider, 2013).1 Die Bildungsrenditen sind in der Regel positiv, das bedeutet, dass sich höhere Bildungsabschlüsse lohnen in dem Sinne, dass sie mit einem höheren Einkommen verbunden sind. Eine Übersicht über die empirischen Ergebnisse für Deutschland liefert der Bundesbildungsbericht (Autorengruppe Bildungs-berichterstattung, 2018, S. 218ff.).
Bisherige Studien, die die Bildungsrenditen verschiedener Bildungsabschlüsse analysieren, verwenden zumeist Umfragedaten, die zwar die Berechnung von Bildungsrenditen ermöglichen, sich jedoch auf das kontemporäre Einkommen stützen müssen (Ammermüller und Weber, 2005; Anger et al., 2010; Boockmann und Steiner, 2006; Göggel, 2007; Pfeiffer und Stichnoth, 2015).2 Wird, wie oft in der Literatur, der Bruttolohn zu einem bestimmten Alter als Zielgröße genutzt, kann die zeitliche Entwicklung der Bildungsrenditen von verschiedenen Bildungsverläufen jedoch nicht berücksichtigt werden. Hierzu wären Informationen zum individuellen Lebenseinkommen notwendig. Das kann zur Folge haben, dass die Bildungsrenditen von Personen mit einer Berufsausbildung systematisch unterschätzt werden. Schließlich haben solche Personen kürzere Ausbildungszeiten als Personen, die ein Hochschulstudium beginnen, und treten daher früher bzw. in einem jüngeren Alter in den Arbeitsmarkt ein, was ihnen einen Vorsprung in Bezug auf das kumulierte Lebenseinkommen verschafft. Um Bildungsrenditen korrekt zu berechnen, benötigt man daher einerseits detaillierte Einkommensinformationen über das komplette Erwerbsleben hinweg und andererseits eine möglichst genaue Erfassung des Bildungswegs um der Heterogenität des deutschen Bildungssystems gerecht zu werden. Einige wenige Studien nutzen daher administrative Daten um langfristige Renditen analysieren (bspw. Alda et al., 2019; Rzepka, 2018). Biewen und Tapalaga (2017a; 2017b) argumentieren jedoch, dass diese Studien oft nicht berücksichtigen können, dass Bildungssysteme immer komplexer werden und Bildungsaufstiege oder heterogene Wege zur Hochschulbildung ermöglichen. Tuor und Backes-Gellner (2010) zeigen für die Schweiz, dass Analysen, die nur den höchsten Bildungsabschluss verwenden, diesen Umstand nicht berücksichtigen können.
Für unsere Studie verwenden wir daher einen kombinierten Datensatz, der administrative Daten und eine repräsentative Befragung von Personen, die zwischen 1944 und 1986 in Deutschland geboren wurden, verknüpft: die NEPS-SC6-ADIAB (Antoni et al., 2018). Die administrativen Daten werden aus den Sozialversicherungsmeldungen beim Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) gespeist. Dadurch dass diese für Personen der NEPS-SC6-Erwachsenenstichprobe verfügbar sind (Blossfeld et al., 2011), kann damit das genaue Einkommen aus sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen für den Zeitraum von 1975 bis 2014 in Westdeutschland und von 1991 bis 2014 in Ostdeutschland berechnet und den vorhandenen Informationen der Befragungsdaten zugespielt werden. Angaben, die in den administrativen Daten fehlen, können zusätzlich mit Angaben aus den Erwerbs- und Bildungsbiografien aus NEPS ergänzt werden, wie beispielsweise (Aus-)Bildungszeiten, Militärdienste und Elternzeit. Für die Analyse von Bildungsrenditen im Lebenseinkommen können wir das kumulierte Arbeitseinkommen berechnen, welches zwischen einem Alter von 16 und 65 Jahren erzielt wurde. Besonders interessieren uns dabei die Break-Even-Punkte, die angeben, welche Bildungsentscheidungen zu den höchsten Erträgen in verschiedenen Lebensabschnitten führen.
In der NEPS-SC6 können Bildungsprozesse und -entscheidungen während des gesamten Lebens beobachtet und unterschieden werden. Dies ist besonders wichtig, da Bildungsentscheidungen in verschiedenen Lebensabschnitten getroffen werden können. Das ist wiederum mit unterschiedlichen Ergebnissen verbunden und kann unterschiedliche Auswirkungen auf das Lebenseinkommen haben. Um Bildungsverläufe der Personen abbilden zu können, wird die erste Bildungsentscheidung nach der Schule und der höchste Bildungsabschluss mit Hilfe der NEPS-Daten betrachtet. Auf diese Weise können wir beispielsweise Personen, die sich zuerst für eine Berufsausbildung entscheiden, deren höchster Bildungsabschluss jedoch ein Hochschulstudium darstellt, von Personen differenzieren, die gleich nach der Schule ein Hochschulstudium aufnehmen und ggf. abschließen.
Der verbleibende Bericht ist wie folgt gegliedert: In Abschnitt 2 erfolgt eine Literaturübersicht über Bildungsrenditen in Deutschland. Daraufhin werden in Abschnitt 0 zunächst die Datensätze beschrieben, auf denen die Auswertungen dieses Berichts basieren (Abschnitt 3.1), sowie das Vorgehen bei der Datenaufbereitung dargestellt (Abschnitt 3.2). Anschließend wird die empirische Methodik erläutert (Abschnitt 3.3). Die Ergebnisse werden dann abschließend in Abschnitt 0 beschrieben. Dazu werden die durchschnittlichen kumulierten Lebenseinkommen im Abschnitt 4.1Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. deskriptiv dargestellt. Die Hauptergebnisse der multivariaten Analysen, die Bildungsrenditen für das kumulierte Lebenseinkommen in unterschiedlichen Lebensabschnitten schätzen, finden sich in Abschnitt 0 und werden durch tiefergehende Analysen ergänzt. Abschließend werden die Ergebnisse in Abschnitt 5 Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. zusammengefasst und diskutiert.
