BWIHK-Vizepräsidentin Breuning: „Unternehmen sind mit einem blauen Auge davongekommen“
Die Wirtschaft in Baden-Württemberg stemmt sich gegen die Krise. Die hohen Energiepreise und die steigende Inflation haben die Lage weniger deutlich eingetrübt als noch im Herbst erwartet. „Die Unternehmen im Südwesten sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen“, fasst BWIHK-Vizepräsidentin Marjoke Breuning die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage zusammen.
An der Umfrage haben sich zwischen Anfang und Ende Januar 2023 landesweit 3.553 Unternehmen aller Größen und Branchen beteiligt. Demnach geben 42 Prozent der Unternehmen an, dass ihre aktuelle Geschäftslage gut ist. Im Herbst 2022 waren das 36 Prozent der Betriebe. Zehn Prozent sagen, die Lage sei schlecht, drei Prozentpunkte weniger als im Herbst. Auch der Blick in die Zukunft hat sich erhellt. „Die Zahl der Optimisten steigt wieder an“, so Breuning. Während im Herbst 2022 noch 44 Prozent der Unternehmen düster auf die Geschäftserwartungen der kommenden zwölf Monate blickten, sind es jetzt aktuell noch 23 Prozent. 22 Prozent der Betriebe hoffen auf bessere Geschäfte, 55 Prozent gehen von einer gleichbleibenden Lage aus.
„Im Herbst hatten die hohen Gaspreise, die steigende Inflation und eine mögliche Gasknappheit die Betriebe in Baden-Württemberg fest im Griff. Die Stimmung der Wirtschaft war dementsprechend im Keller“, sagt Breuning. Nur noch jedes achte Unternehmen blickte optimistisch in die Zukunft. „Viele Unternehmen sind einen massiven Sparkurs gefahren und haben in Energieeffizienz investiert. Mit Erfolg.“ Eine Gasmangellage scheint vorerst abgewendet, die Einführung des Gaspreisdeckels hat den Unternehmen zudem mehr Planungssicherheit gebracht. Zum Jahresbeginn 2023 sehen 65 Prozent der Unternehmen die Energiepreise als ein wirtschaftliches Risiko – im Herbst 2022 waren es noch 78 Prozent.
Allerdings gibt es deutliche Unterschiede. In den Branchen mit niedrigen Gewinnmargen bleiben die Sorgen groß. „Allen voran im eh schon stark gebeutelte Gastgewerbe, hier haben Corona-Pandemie und der Fachkräftemangel besonders deutliche Spuren hinterlassen“, erklärt die BWIHK-Vizepräsidentin. Nach einem konjunkturellen Hoch im Sommer trifft die Hotel- und Gastro-Betriebe jetzt die Sorge, die Energiepreise nicht zahlen zu können. Neun von zehn Unternehmen sehen die Energiepreise als ein wirtschaftliches Risiko. Jedes vierte Unternehmen empfindet die aktuelle Ertragslage als schlecht.
Ebenso im Einzelhandel. Viele Einzelhändler stehen bereits mit dem Rücken zur Wand. Jetzt kommen die hohen Energiepreise hinzu, die bei den geringen Gewinnmargen nicht komplett an die Kunden weitergegeben werden können. Die Inlandsnachfrage wird weiterhin von 66 Prozent der Unternehmen als ein Geschäftsrisiko gesehen.
Aber auch in der Industrie sehen drei Viertel der Unternehmen ein Risiko bei den hohen Energiepreisen – im Herbst 2022 waren es 88 Prozent der Betriebe.
Deutlich getrübt wird der Blick in die Zukunft in allen Branchen vom Fachkräftemangel. Er hat im Vergleich zum Herbst die Energiepreise im Ranking der größten Geschäftsrisiken vom ersten Platz verdrängt. „Dieser Trend wird anhalten“, so Breuning. „Besonders in den kommenden Jahren werden einige Arbeitsstellen unbesetzt bleiben und die geburtenstarken Jahrgänge werden in Rente gehen.“ 66 Prozent der Unternehmen sehen im Fachkräftemangel derzeit ein Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung, im Herbst waren es 61 Prozent, im Frühsommer 2022 rund 58 Prozent. „Die Entwicklung wird zusätzlichen Druck auf die Löhne ausüben. Jedes zweite Unternehmen sieht bei den Arbeitskosten ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung.
„Wir sehen durch den Fachkräftemangel aber auch wichtige Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz und Digitalisierung in Gefahr“, warnt Breuning. Die Betriebe befänden sich mitten im Transformationsprozess, dafür seien die richtigen Fachkräfte unabdingbar. „Die Politik muss jetzt ihre Hausaufgaben machen und die Berufliche Bildung noch attraktiver gestalten. Vor allem aber muss sie bei der Berufsorientierung den Turbo einlegen“, fordert Breuning. „Wir erwarten aber auch, dass Kita-Ausbau und Ganztagsbetreuung an Schulen schneller vorangetrieben werden.“ Würden die mehr als eine Million in Teilzeit arbeitenden Frauen in Baden-Württemberg jedes Jahr wöchentlich nur eine Stunde mehr arbeiten, entspräche dies jährlich mehr als 30.000 Vollzeit-Beschäftigten im Südwesten, rechnet Breuning vor. „Damit das gelingen kann, müssen wir die Betreuungssituation deutlich verbessern. So wäre ein erheblicher Teil des Fachkräfteproblems gelöst.“
