BWIHK-Präsident Erbe: „Den Betrieben fehlt der Rückenwind“
Die Wirtschaft in Baden-Württemberg entkommt der Rezession, verliert jedoch merklich an Schwung. „Die enormen Herausforderungen haben der Wirtschaft weniger geschadet als noch vor einigen Monaten erwartet, dennoch fehlt den Betrieben ein kräftiger Rückenwind“, fasst Christian Erbe, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage zusammen. Demnach bewerten mit 42 Prozent der Unternehmen fast ebenso viele ihre Lage als gut wie zu Jahresbeginn (41 Prozent). Zehn Prozent sagen, die Lage ist schlecht – genauso viele wie im Februar. Auch die Zahl derer, die auf bessere Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten hofft, ist mit 23 Prozent etwa gleichgeblieben (Jahresbeginn 22 Prozent). Schlechtere Geschäfte erwarten mit 20 Prozent der Befragten etwas weniger als noch im Februar (23 Prozent). An der Umfrage haben sich zwischen Mitte April und Anfang Mai 2023 landesweit 3.381 Unternehmen aller Größen und Branchen beteiligt.
„Noch vor einem halben Jahr waren die Sorgen in Wirtschaft und Politik groß, die unterschiedlichen Krisenherde und die massiven Preissteigerungen vor allem bei Strom und Gas trübten die Zukunftserwartungen der Unternehmen deutlich ein, die Furcht vor einer möglichen Rezession war spürbar“, so Erbe. Im Herbst 22 blickte nur noch jedes achte Unternehmen optimistisch in die Zukunft. „Der Winter verlief jedoch milder als erwartet. Unternehmen und Haushalte haben deutlich weniger Gas verbraucht als in den Jahren zuvor“, ergänzt der BWIHK-Präsident. „Zum einen haben die Unternehmen deutlich stärker in Energiesparmaßnahmen investiert, zum anderen ist aber auch weniger als üblich produziert worden.“
Ende des ersten Quartals dieses Jahres tauchte dann ein neues Schreckgespenst am Horizont auf: Der Fall der amerikanischen Silicon Valley Bank und die Rettung der traditionsreichen Credit Suisse durch den Verkauf an die UBS. Erbe: „An den Finanzmärkten weckte das Erinnerungen an Lehman Brothers und die weltweiten Verwerfungen an den Finanzmärkten 2008. Eine weitere Krise wäre für die Unternehmen jetzt zur absoluten Unzeit gekommen und blieb uns zum Glück auch erspart.“
Herausforderungen: Fachkräftemangel bleibt Top-Risiko
Dennoch haben die Unternehmen mit immensen Herausforderungen zu kämpfen, die ihren Blick in die Zukunft trüben. Branchenübergreifend und dem demografischen Wandel geschuldet, bleibt der Fachkräftemangel mit 68 Prozent Nennungen das Toprisiko in Baden-Württemberg. Der Fachkräftemangel übt, neben der herrschenden Inflation, zudem Druck auf Löhne und Gehälter aus. 54 Prozent der Unternehmen sehen hier ein wirtschaftliches Risiko, das sind fünf Prozentpunkte mehr als noch zum Jahresbeginn 2023. Besonders das Verkehrsgewerbe (60 Prozent) und das Gastgewerbe (78 Prozent) befürchten weitere Erhöhungen bei den Lohnkosten. „Die Politik ist gefragt. Wir müssen an allen möglichen Stellschrauben drehen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken – von der Stärkung dualer Ausbildung und der Berufsorientierung bis hin zur Vereinfachung bei der Fachkräfteeinwanderung“, fordert Erbe. „Wenn wir jetzt nicht an Tempo zulegen, werden die Betriebe bei der Transformation zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit ausgebremst. Das schadet ihrer langfristigen Wettbewerbsfähigkeit ebenso wie dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg.“
Die Lage an den Energiemärkten hat sich in einigen Branchen im Vergleich zum Jahresbeginn 2023 weiter entspannt. Dennoch sehen circa 58 Prozent der Unternehmen ein wirtschaftliches Risiko bei den hohen Energiekosten. Vor allem die margenschwachen Branchen leiden weiterhin unter den hohen Preisen. Bei den Hotels und Gaststätten nennen dies 79 Prozent der Teilnehmer als ein Geschäftsrisiko. Aber auch in der Industrie (65 Prozent) und im Verkehrsgewerbe (76 Prozent) bleiben die Energiekosten ein Toprisiko.
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und den Spannungen zwischen China und Taiwan wurde in der Frühsommer-Konjunkturumfrage 2023 neben den klassischen Geschäftsrisiken zusätzlich zum Thema „geopolitische Spannungen“ befragt. Jedes vierte Unternehmen sieht hierin ein Geschäftsrisiko.
