BWIHK-Vizepräsident Paal: Brauchen Diskussion, was staatliche Aufgaben sind und was nicht
Die landesweite Konjunkturumfrage, an der sich im September 3.412 Unternehmen jeder Größe und Branche beteiligt haben, zeigt: Die Hoffnungen auf eine Erholung der Wirtschaft in Baden-Württemberg sind vorerst auf Eis gelegt. Die fehlende Nachfrage im In- und aus dem Ausland, hohe Arbeits- und Energiekosten sowie der politische Schlingerkurs lassen auch den bislang noch widerstandsfähigen Industriebetrieben die Luft ausgehen. „Die Ergebnisse unserer aktuellen Konjunkturumfrage sind kein Weckruf mehr, von denen haben wir zur Genüge. Sie müssen der Startschuss dafür sein, dass die Politik endlich ins Handeln kommt“, sagt Vizepräsident Claus Paal, der auch Präsident der für die Konjunkturumfrage verantwortlichen IHK Region Stuttgart ist. „Noch nie haben so viele unserer Unternehmen die politischen Rahmenbedingungen als Geschäftsrisiko genannt. Wir brauchen jetzt zügig eine Diskussion darüber, was staatliche Aufgaben sind und was nicht. Der Staat verzettelt sich in seinem eigenen Regelungsdickicht und lähmt die Unternehmen. Ziel muss es sein, Bürokratie wieder durch Eigenverantwortung und Vertrauen zu ersetzen.“
Laut Konjunkturumfrage bewerten nur noch gut ein Viertel (26 Prozent) der baden-württembergischen Unternehmen ihre Geschäftslage als gut, fünf Prozentpunkte weniger als noch im Frühsommer. Fast ebenso viele (24 Prozent) sagen, die Lage sei schlecht, im Frühsommer waren das 18 Prozent. Und auch der Blick in die Zukunft wird zunehmend düster. Während im Frühsommer 26 Prozent pessimistisch auf die Geschäftserwartungen der kommenden zwölf Monate blickten, sind das mittlerweile 31 Prozent. Nur noch 16 Prozent hoffen auf eine Verbesserung in den kommenden Monaten.
Besonders die Industrie – das Herzstück der baden-württembergischen Wirtschaft – hat in diesem Herbst einen weiteren Dämpfer erhalten. Die Industrierezession ist da. Nur noch knapp jedes fünfte Unternehmen bewertet seine Lage als gut – im Frühsommer war es noch gut jedes vierte. „Die letzten positiven Signale aus dem Frühjahr sind weg, wir sind auf dem Weg in eine strukturelle Krise“, warnt Paal. Das letzte Mal hatten die Unternehmen vor zwei Jahren steigende Auftragseingänge gemeldet, seither geht es in allen Branchen zurück.
Insgesamt melden rund 42 Prozent aller teilnehmenden Unternehmen jetzt einen Rückgang. Auch der erhoffte Nachfrageimpuls aus dem Ausland, der in der Vergangenheit die baden-württembergische Wirtschaft aus der ein oder anderen Krise gehievt hat, bleibt aus. 29 Prozent der Unternehmen rechnen mit einem Rückgang der Exporte in den kommenden zwölf Monaten.
Damit sind auch die Investitions- und Beschäftigungspläne der Betriebe eher trübe. Nur noch knapp jedes fünfte Unternehmen (19 Prozent) will in den kommenden zwölf Monaten mehr investieren – neun Prozentpunkte weniger als im Zehn-Jahresvergleich. 44 Prozent planen weniger oder gar keine Investitionen. Wenn investiert wird, dann geht es meist darum, kaputte Maschinen oder ähnliches zu ersetzen. Ersatzbedarf nennen daher mit 67 Prozent die meisten Betriebe als Investitionsgrund, gefolgt von der Digitalisierung mit knapp 52 Prozent.
Neue Reihenfolge bei den Toprisiken
Bei der Frage nach den größten Geschäftsrisiken bleibt die schwächelnde Inlandsnachfrage für die baden-württembergischen Wirtschaft damit auf Platz eins. Rund 70 Prozent der Betriebe sehen hier ein Problem für ihre Entwicklung. Auf Platz zwei haben die hohen Arbeitskosten (55 Prozent) den Fachkräftemangel abgelöst. Letzterer befindet sich angesichts der Wirtschaftsflaute mit 51 Prozent der Nennungen auf Platz drei. Die schwache Auftragslage und die gesunkenen Energiepreise haben das Problem der Energiekosten mit knapp 43 Prozent der Nennungen auf den vierten Platz verdrängt, mit Ausnahme des Hotel- und Gastgewerbes. Fast drei Viertel der Unternehmen des Gastgewerbes leiden immer noch unter dem hohen Kostendruck.
